Christiane von Rauch hat bei der Kundgebung zum feministischen Kampftag in Hannover am 08.03.2021 eine Rede gehalten. Ihr Redebeitrag kann hier nachgelesen werden:
Hallo, Liebe Frauen, Menschen, Aktivist*innen, toll daß Ihr alle da seid.
Ich begrüße Euch als Vertreterin von Pro Choice Deutschland e.V. und Doctors for Choice Germany zum internationale Frauentag.
Am 8. März geht es seit jeher und weltweit auch um die reproduktive und sexuelle Selbstbestimmung, um das Recht aller Frauen und Menschen mit Uterus auf selbstbestimmtes Leben und um die Freiheit, selbst zu entscheiden, wann und mit wem und ob sie überhaupt Kinder haben möchten. Es geht also auch um die Frage nach sicherer, legaler und kostenloser Abtreibung. Denn es wird immer ungewollte Schwangerschaften geben, hat es immer gegeben.
In Deutschland sind wir weit entfernt von free safe and legal – dem Motto des letztjährigen internationalen Safe Abortion Day. Wir haben in Deutschland, nach Malta und Polen, das restriktivste Abtreibungsgesetz in ganz Europa. Wir müssen noch immer mit den Paragrafen 218 und 219a leben, wir sind immer noch an den Spruch des Verfassungsgerichtes gekettet, der prinzipiell den Schwangeren gebietet, das Kind auszutragen und das Recht des Ungeborenen über das Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren stellt.
Schwangere, die eine Abtreibung wünschen und Ärzt*innen, die Abtreibungen durchführen, werden stigmatisiert, diskriminiert und kriminalisiert. Das gesellschaftliche Tabu ist ungebrochen. Die Versorgungssituation hat sich in den letzten 15 Jahren zunehmend verschlechtert. Bundesweit gibt es eklatante Versorgungslücken, um eine Abtreibung nach der Beratungsregelung durchzuführen. Menschen mit medizinischer Indikation haben Schwierigkeiten eine Klinik zu finden, die Abbrüche nach der 14. Woche durchführt. Eine Wahlmöglichkeit für die Methode ist vielerorts nicht gegeben.
Durch die Corona – Pandemie ist der Notstand deutlich zu Tage getreten. Carearbeit, KiTa- und Schulschließungen, Homeoffice und Quarantäne erschweren es oder machen es unmöglich, zeitnah zur Beratung oder in eine Arztpraxis zu kommen. Menschen die einen Abbruch brauchen, verlieren wertvolle Zeit und gehen damit ein höheres gesundheitliches Risiko ein.
Das wollen und können wir nicht hinnehmen!
Wir meinen:
Free safe and legal- Abortion is basic healthcare,
Kostenlos, sicher und legal, Abtreibung ist medizinische Grundversorgung.
und das heisst: Die Paragrafen 218 und 219a haben im Strafgesetzbuch nichts verloren!
Wir befürworten die Initiative der Fraktion DIE LINKE, die am 4.3.21 den Bundestag aufgefordert hat, einen Gesetzentwurf für ein „Gesetz zur Sicherung reproduktiver Rechte“ vorzulegen, das die Streichung der Paragraphen 218 und 219 a beinhalten soll , das kostenlose Verhütungsmittel , kostenlose Kinderwunschbehandlung und freiwillige Beratung zu allen Fragen der Reproduktion sowie das Recht von Menschen mit Behinderungen auf reproduktive Selbstbestimmung und Elternschaft sichern soll.
So kommt das Thema in seiner Gänze im Bundestag zur Sprache, und das ist dringend nötig! Denn Deutschland weigert sich beharrlich die UN- Frauenrechtskonvention CEDAW umzusetzen, in der diese Rechte festgeschrieben sind.
Wir freuen uns mit den Ir*Innen und Argentinier*innen, die nach jahrelangen Kämpfen ein fortschrittliches Abtreibungsrecht durchgesetzt haben – das ist auch unser Ziel. Wir sind solidarisch mit den Pol*innen, die seit Monaten das finsterste Abtreibungsgesetz ever bekämpfen müssen. Wir untersützen das Manifest der Pol*innen zum 8. März:
“We, women of Europe, will not be silent….. We Europeans, sisters of Polish women, demand full women’s rights – the right to safe termination of pregnancy – the right to sexuality education – the right to dignity – and the right to be respected. Today, Poland has become a hell for women, tomorrow it may be other countries if we don’t rise up.”
Wir, Europäer*innen, werden nicht schweigen… Wir Europäerinnen, Schwestern der polnischen Frauen, fordern alle Frauenrechte: das Recht auf sichere Abtreibung, das Recht auf Sexualerziehung, das Recht auf Menschenwürde, und das Recht respektiert zu werden. Heute ist Polen eine Hölle für Frauen geworden, morgen kann das in anderen Ländern geschehen, wenn wir nicht aufstehen und uns wehren.
Nochmal: Danke, daß Ihr dabei seid, gemeinsam sind wir stark!
Wir wollen und werden das Tabu brechen!
150 Jahre §218 und an die 90 Jahre §219a sind genug!