Schwangerschaftsabbrüche gehören zu unseren Leben und unserer Gesellschaft dazu. Circa jede fünfte Frau führt im Laufe ihres Lebens einen Schwangerschaftsabbruch durch. In Deutschland erschwert eines der strengsten Abtreibungsgesetze Europas jedes Jahr unzähligen Menschen die Durchführung eines sicheren Schwangerschaftsabbruchs. Die Strafandrohungen verstärken die Stigmatisierung und Tabuisierung, sie erschweren die Thematisierung in der medizinischen Ausbildung, sie schüchtern Ärzt*innen ein und tragen damit erheblich zum Versorgungsnotstand im Bereich des Schwangerschaftsabbruchs bei. Weite Fahrtwege und der damit verbundene organisatorische und finanzielle Mehraufwand gefährden die psychische und physische Gesundheit von ungewollt Schwangeren. Medizinische Abläufe werden durch diese Zugangshürden unnötig verzögert. Der Schwangerschaftsabbruch ist aber am sichersten und schonendsten, je früher er durchgeführt wird. Wir wissen nichts über die Dunkelziffer von selbst ausgeführten oder versuchten unsicheren Abtreibungen, gehen aber davon aus, dass sie zugenommen haben. Circa 20 Pakete mit Abtreibungspillen verschickt allein Women on Web pro Monat nach Deutschland, angefragt von ungewollt Schwangeren, die aus finanziellen oder anderen Gründen auf keinem anderen Weg zu einen Schwangerschaftsabbruch kommen – das ist beschämend für ein als liberal geltendes Land wie Deutschland.
Die §§218 und 219 StGB erzeugen bei ungewollt Schwangeren Gefühle von Angst, Scham, schlechtem Gewissen und gefährden nachweislich deren psychische Gesundheit. Der Zusammenhang zwischen restriktiven Abtreibungsgesetzen und einer erhöhten Gesundheitsgefährdung ungewollt Schwangerer ist hinreichend bekannt.
Der Schwangerschaftsabbruch darf kein Strafbestand sein, sondern er muss eine öffentliche Gesundheitsleistung werden! Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch sind außerhalb des Strafgesetzes möglich, beispielsweise in Sozialgesetzbüchern oder innerhalb der für den Gesundheitsbereich geltenden Rechtsordnungen.
Wir schließen uns den Forderungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Frauenrechtskonvention der UN (CEDAW) an: Informationsverbote sowie verpflichtende Beratungen und Wartezeiten gilt es zu überwinden, da sie Zugangshürden darstellen und medizinische Abläufe unnötig verzögern können. Beratungen können ihre helfende Wirkung vor allem dann entfalten, wenn sie auf freiwilliger Basis ablaufen.
Für die Gesundheit unserer Patient*innen muss eine flächendeckende Versorgung von Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, gewährleistet werden. Wir benötigen eine verlässliche Erhebung der Versorgungslücken und schnelle politische Maßnahmen, welche dem Versorgungsnotstand gezielt entgegensteuern.
Wir hoffen, dass das Thema Abtreibung durch eine vermehrte gesellschaftliche Auseinandersetzung und nicht zuletzt auch durch unsere Arbeit enttabuisiert wird, damit wir frei von Vorurteilen über Sexualität, Fortpflanzung und Familienplanung sprechen können.
In diesem Sinne unterstützen wir auch die Pressemitteilung von Women on Web zu den erschwerten Zugangsbarrieren zum Schwangerschaftsabbruch in Deutschland.