In einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion vom 13. September heißt es, der Schwangerschaftsabbruch werde über die Lernziele des NKLM (Nationaler Kompetenzbasierter Lernzielkatalog) im Medizinstudium verankert werden. Dabei sollen medizinische, rechtliche und ethische Aspekte berücksichtigt werden. Im NKLM sind diese Aspekte schon lange enthalten, allerdings waren die Empfehlungen des NKLM bislang nicht bindend für die Universitäten. Das soll sich nun ändern, sodass die Universitäten die im NKLM enthaltenen Lernziele pflichtmäßig im Lehrplan verankern müssen.
Alicia Baier, Vorstandsmitglied von Doctors for Choice, sagt hierzu:
„Die verpflichtende Umsetzung der Inhalte des NKLM wird bedeutsame Umstrukturierungen der Lehrpläne nach sich ziehen müssen – und das längst nicht nur im Bereich des Schwangerschaftsabbruchs. Die konkrete Umsetzung bleibt zu überprüfen. Medizinstudierende, die seit Jahren versuchen, den Lehrplan um den Schwangerschaftsabbruch zu ergänzen, können sich nun auf die Inhalte des NKLM berufen.“
Aussagen, dass nun alle Mediziner*innen Schwangerschaftsabbrüche durchführen müssen, sind hingegen nicht korrekt.
Alicia Baier: „Es geht nicht um die praktische Durchführung, sondern um die pflichtmäßige Verankerung von theoretischem Wissen, zum Beispiel die Gegenüberstellung der beiden Abbruchsmethoden, sowie ihr jeweiliges Nebenwirkungs- und Sicherheitsprofil. Im Medizinstudium wird zu viel selteneren Eingriffen die Theorie gelehrt – dass dies auch bei einem Eingriff passiert, der zu den häufigsten in der Gynäkologie gehört, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Es ist ein Ausdruck der Tabuisierung des Schwangerschaftsabbruchs, dass häufig wenig medizinisches Wissen hierüber vermittelt wird.„
Die Thematisierung im Medizinstudium ist aus mehreren Gründen unabdingbar:
„Erstens kann damit den leider noch häufig unter Medizinstudierenden kursierenden Abtreibungsmythen entgegengewirkt und evidenzbasiertes Wissen vermittelt werden. Dies ist auch für Studierende wichtig, die sich später auf andere Fachrichtungen als die Gynäkologie spezialisieren, denn auch sie werden mit ungewollt Schwangeren in Kontakt kommen und sollten ein Grundverständnis für deren Situation und den Eingriff haben. Für diejenigen, die Gynäkolog*in werden wollen, ist die Lehre im Medizinstudium besonders wichtig, da sie ihre Weiterbildung unter Umständen an einem Krankenhaus absolvieren werden, wo keine Abbrüche durchgeführt werden. Somit ist es für sie die einzige Gelegenheit, medizinische Lehre zu diesem Thema zu erhalten. Zu guter Letzt korreliert die Intensität, mit der Schwangerschaftsabbrüche in der medizinischen Ausbildung thematisiert werden, mit der Bereitschaft, später selbst Abbrüche durchzuführen. Daher ist die Ausbildung eine wichtige Stellschraube, um dem aktuellen Trend, dass immer weniger Ärzt*innen Abbrüche durchführen, entgegenzuwirken.“
Zusammenfassend begrüßt Doctors for Choice Germany , dass die Theorie des Schwangerschaftsabbruchs pflichtmäßig in den Lehrplänen der deutschen medizinischen Fakultäten verankert werden soll.