Schwangerschaftsabbrüche in Zeiten von Corona – eine Zwischenbilanz

Um die Versorgung ungewollt Schwangerer auch während der Corona-Krise sicherzustellen, haben Doctors for Choice Germany e.V. in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen am 22. März eine Pressemitteilung mit Forderungen an Politik, Beratungsstellen, Krankenkassen und ärztliche Kolleg*innen herausgegeben. Was hat sich seitdem getan? Eine Zwischenbilanz

Erfreulich ist die breite Rezeption unserer Pressemitteilung in Gesellschaft und Politik. Viele Zeitungen berichteten darüber und interviewten unsere Mitglieder. Inhaltlich aufbauend auf unsere Pressemitteilung wurde eine Petition auf change.org gestartet, die schon fast 2000 Menschen unterschrieben haben. Auch in der Politik fanden unsere Forderungen Gehör: So integrierten bspw. Abgeordnete der LINKEN diese in ihren Antrag an den Bundestag, und die Landtagsfraktion der Grünen NRW übernahm einige Forderungen aus unserer Pressemitteilung in ihr Sozialpapier.

Wie sieht es in der Praxis aus?
Unsere Mitglieder arbeiten derweil unter hohem Druck, insbesondere, wenn sie die einzigen Ärzt*innen in ihrer Region sind, die Abbrüche durchführen. Sie dürfen sich keinen Ausfall erlauben und müssen akribisch darauf achten, dass das Personal sich nicht ansteckt. Manche Praxen und Zentren sind zu klein, um einen Wechsel-Schichtbetrieb einzuführen. Knapper werdende Schutzmasken und Desinfektionsmittel in chirurgischen Zentren und Praxen sowie die Schließung von Praxen älterer Ärzt*innen, die zur Risikogruppe gehören, erschweren die sowieso schon problematische Versorgung in einigen Regionen. Besonders bedenklich ist, dass manche Krankenhäuser keine Schwangerschaftsabbrüche mehr durchführen, da sie diese als elektiv betrachten. Damit bestätigen sich unsere schlimmsten Befürchtungen. In unserer Presseerklärung vom 21.03. hatten wir darauf hingewiesen, dass Schwangerschaftsabbrüche als notwendige medizinische Leistungen im Sinne der Pandemiebestimmungen anerkannt werden müssen.

Immerhin hören wir von einigen Mitgliedern aus den Großstädten, dass die Versorgung dort glücklicherweise bisher aufrecht erhalten werden kann. Erfreut hat uns die Entscheidung der Frauenklinik der Universität Magdeburg, die während der Krise zusätzliche Kapazitäten für die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen zur Verfügung stellt, um den coronabedingten Ausfall niedergelassener Ärzt*innen auszugleichen.

In den meisten Bundesländern gibt es mittlerweile die Möglichkeit, die Schwangerschaftskonfliktberatung online oder per Telefon durchzuführen. Ausnahmen sind Saarland, Sachsen und Rheinland-Pfalz, wo dies nur möglich ist, wenn die Frauen in Quarantäne sind (Stand: 08.04.20).

Weiterhin problematisch ist der Zugang zu Online-Formularen für die Kostenübernahme in einigen Bundesländern. Für die ungewollt Schwangeren und das medizinische Personal bedeutet die Organisation und die umständliche Kommunikation mit den teils geschlossenen Krankenkassen einen erheblichen Mehraufwand, der bei allen Beteiligten sehr viel wertvolle Zeit frisst und psychisch belastet. Leider sind vor allem Frauen davon betroffen, die finanziell prekär aufgestellt und während dieser Krise sowieso schon Mehrfachbelastungen ausgesetzt sind. Die lokalen pro familia Beratungsstellen können Betroffenen hilfreiche Informationen geben.

Unter der Corona-Krise leidet aber auch das Angebot für die Schwangerschaftsverhütung: Viele Familienplanungszentren und Praxen reduzieren ihr Angebot dahingehend, dass sie zur Zeit keine Spiralen oder Dreimonatsspritzen verabreichen. Selbst Pillenrezepte sind in vielen Praxen nur begrenzt erhältlich, sodass im Notfall auf Kondome ausgewichen werden muss.

Wir fordern die Bundesregierung und die Länderministerien auf, während der Corona-Krise den Versorgungsauftrag für Abbrüche flächendeckend sicherzustellen. Kliniken, ambulante Zentren und Praxen müssen für Schwangerschaftsabbrüche auch während der Pandemie offen bleiben und dürfen nicht als elektive Eingriffe klassifiziert werden. Insbesondere die Erstellung eines bundesweit einheitlichen Online-Formulars für die Kostenübernahme ist jetzt dringend geboten.

Text: Alicia Baier, Christiane von Rauch

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