Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung zum Werbeverbot für den Schwangerschaftsabbruch (Valentina Chiofalo)

Die gesamte Stellungnahme steht als PDF-Datei zur Verfügung.

Gegenstand der Stellungnahme ist der Gesetzesentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch (§ 219a StGB), zur Änderung des Heilmittelwerbegesetzes und zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch“ vom 02.05.2022 (BR-Drs. 161/22, BT-Drs. 20/1635), der Antrag der Fraktion der CDU/CSU „Interessen der Frauen stärken, Schutz des ungeborenen Lebens beibehalten“ (BT-Drs. 20/1017), sowie der Antrag der Fraktion DIE LINKE. „§ 219a StGB aufheben – Selbstbestimmung, Entscheidungsfreiheit und ausreichende Versorgung sicherstellen“ (BT-Drs. 20/1736).

Zusammenfassend:

1. Die geplante vollständige und ersatzlose Streichung des § 219a Strafgesetzbuch (StGB) wird ausdrücklich begrüßt, gleiches gilt für die vorgesehene Rehabilitierung der auf Grundlage des § 219a StGB verurteilten Personen.
2. Die geplante Änderung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Heilmittelwerbegesetz (HWG) wird begrüßt, es wird jedoch empfohlen, die geplante Ausnahme in Bezug auf Schwangerschaftsabbrüche in einem gesonderten § 12 Abs. 3 HWG zu regeln.
3. Im Hinblick auf die immer schlechter werdende Versorgungslage wird deutlich, dass der Zugang zum Schwangerschaftsabbruch weiter abgesichert werden muss. Die jetzigen Defizite sind dabei auf die andauernde Kriminalisierung, Stigmatisierung und Tabuisierung des Schwangerschaftsabbruchs über §§ 218 ff. StGB zurückzuführen.

Im Einzelnen:

1. Zur Streichung von § 219a StGB und der Rehabilitierung verurteilter Ärzt*innen

Ausdrücklich begrüßt wird die vollständige und ersatzlose Streichung des § 219a StGB, wie sie im Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BR-Drs. 161/22, BT-Drs. 20/1635) und dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. (BT-Drs. 20/1736) vorgeschlagen wird. Über § 219a StGB wurden Ärzt*innen aufgrund von bloßen Informationsweitergaben kriminalisiert, ein medizinisch sachlicher Umgang mit dem Thema Schwangerschaftsabbruch wurde dadurch verhindert. Leidtragende waren Ärzt*innen und ungewollt schwangere Personen. Diese Streichung ist nicht nur politisch, sondern auch rechtlich geboten, da der Paragraf nach der hier vertretenen Auffassung sowohl gegen Grundrechte der ungewollt schwangeren Person, wie auch gegen Grundrechte der Ärzt*innen verstößt (Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 2 GG, sowie Art. 3 Abs. 2 und 3 GG). [1]

Gleichzeitig ist die Behauptung, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stehe einer Streichung im Wege, nicht tragfähig: § 219a StGB ist kein Bestandteil des verfassungsmäßig gebilligten Beratungskonzepts. [2] Vielmehr ist § 219a StGB eine der wenigen Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch, die nicht auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1993 zurückgeht, sondern in ihrem Kerngehalt seit 1933 im deutschen Strafgesetz [3] enthalten ist. Im Urteil von 1993 führte das Gericht zwar aus, dass der Schwangerschaftsabbruch auch in der Beratungslösung als Unrecht angesehen werden müsse, [4] das sogenannte „Werbeverbot“ gem. § 219a StGB ist jedoch an keiner Stelle Gegenstand der Entscheidung und kann somit nicht als „wichtiger Bestandteil des Lebensschutzkonzeptes“ betrachtet werden. [5] Bestandteil des Beratungskonzepts ist es hingegen, das Verantwortungsbewusstsein der schwangeren Person zu stärken, da sie die Letztverantwortung im Schwangerschaftskonflikt übertragen bekommt. [6] Dabei dient die Informationsweitergabe über den Vorgang des Schwangerschaftsabbruchs durch Ärzt*innen grundsätzlich der Stärkung des Verantwortungsbewusstseins der Schwangeren. Das Beratungskonzept steht einer Streichung somit nicht entgegen. Vielmehr wird durch die Streichung gerade ein Hindernis für die Stärkung des Verantwortungsbewusstseins der schwangere Person ausgeräumt.

Auch bei der Streichung von § 219a StGB wären geschmacklose oder relativierende Anpreisungen von Schwangerschaftsabbrüchen im Alltag weiterhin ausgeschlossen. Der Regierungsentwurf sieht vor, Schwangerschaftsabbrüche in den Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) nach § 1 HWG ausdrücklich aufzunehmen. Damit wird sichergestellt, dass der dort aufgestellte Maßstab künftig auch für die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen gilt. Nach § 14 HWG ist ein Verstoß gegen das Verbot der irreführenden Werbung gem. § 3 HWG – unabhängig von § 219a StGB – mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 1 Jahr oder Geldstrafe strafbewehrt. Darüber hinaus verbietet das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) auch unlautere vergleichende Werbung (§ 3 Abs. 1 UWG in Verbindung mit § 6 UWG).

Die durch den Antrag der Fraktion der CDU/CSU (BT-Drs. 20/1017) vorgeschlagene Reform des § 219a Abs. 4 StGB ist unzureichend, da Ärzt*innen auch weiterhin durch kleinste Zusätze in ihrer Kommunikation nach außen strafrechtlich belangt werden könnten. [7] Danach wäre z.B. die Formulierung, dass der Schwangerschaftsabbruch „in geschützter Atmosphäre“ durchgeführt wird [8] vom Tatbestand des § 219a StGB umfasst. Es ist weder zu erkennen, inwiefern dies ein strafrechtlich relevantes Handeln darstellen soll, noch wie Ärzt*innen unter dem Damoklesschwert des §219a StGB rechtssicher über die „von ihnen angewendeten Methoden zur Durchführung eines Schwangerschaftsabbruches“ [9] informieren können. Der Vorschlag stellt somit keine relevante Verbesserung zum Status Quo dar.

Nach der bisherigen Rechtslage wurden Ärzt*innen, die den in § 12 Abs. 2 SchKG vorgesehenen Versorgungsauftrag ausführten, aufgrund von § 219a StGB strafrechtlich verfolgt und verurteilt. [10] Diese Verurteilungen verletzen die Ärzt*innen in ihrer verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Es ist geboten, durch eine Rehabilitation und Aufhebung der strafrechtlichen Verurteilungen zu gewährleisten, dass die verurteilten Ärzt*innen nicht bis zur Entscheidung der anhängigen Verfassungsbeschwerden in diesem grundrechtsverletzenden Zustand ausharren müssen. Es ist hervorzuheben, dass es diese Ärzt*innen waren, die das Spannungsverhältnis zwischen Versorgungsauftrag, legitimen Interesse an sachlichen Informationen und gleichzeitiger Tabuisierung des Schwangerschaftsabbruchs ausgleichen mussten. Für diesen Einsatz verdienen Ärzt*innen gesellschaftliche Anerkennung, keine strafrechtliche Sanktionierung.

2. Zu den Änderungen in § 1 Abs. 1 Nr. 2 und § 12 Abs. 2 S. 2 HWG

Grundsätzlich wird die im Regierungsentwurf vorgesehene Einbeziehung des Schwangerschaftsabbruchs in den Anwendungsbereich des HWG über § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG begrüßt. Damit erfolgt eine Gleichstellung mit anderen medizinischen Gesundheitsleistungen. Irreführende Werbung kann so angemessen verhindert werden. Zudem stellt § 11 HWG darüberhinausgehende hohe Anforderungen an Publikumswerbung. Ferner bestehen, wie oben gesehen, bereits umfassende Vorgaben zur Regulierung ärztlicher Werbung, die eine unangemessene Kommerzialisierung sowie sonstige berufswidrige, etwa anpreisende oder vergleichende Werbung untersagen. Somit werden Sorgen vor unangemessener Werbung für Schwangerschaftsabbrüche umfassend Rechnung getragen und ausgeräumt

Die Aufnahme des Schwangerschaftsabbruchs in die Ausnahmeregelung des § 12 Abs. 2 S. 2 HWG ist grundsätzlich ebenso zu begrüßen. Gleichzeitig ist nicht nachvollziehbar, wieso der von Ärzt*innen durchgeführte Schwangerschaftsabbruch nur aus § 12 Abs. 2 S. 1 HWG und nicht aus dem Anwendungsbereich des § 12 Abs. 1 Nr. 1 HWG herausgenommen wird. Sinn und Zweck des § 12 HWG ist, vor unsachgemäßer Selbstbehandlung zu schützen. [11] Dabei umfasst Abs. 1 die Werbung für Arzneimittel und Medizinprodukte, Abs. 2 für die übrigen Gegenstände und Verfahren (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG). [12] Momentan ist über § 12 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 S. 1 HWG i.V.m. Anlage A Nr. 4 HWG u.a. untersagt für Arzneimittel, Medizinprodukte oder übrige Gegenstände und Verfahren bezüglich eines medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbruchs zu werben. Über die vorgeschlagene Anpassung des § 12 Abs. 2 S. 2 HWG wird der Schwangerschaftsabbruch aus dem Anwendungsbereich des § 12 Abs. 2 S. 1 HWG herausgenommen. Somit soll nunmehr über Gegenstände und Verfahren eines medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbruchs durch Ärzt*innen informiert werden dürfen.

Unverständlich bleibt jedoch, wieso nach dem derzeitigen Regierungsentwurf über § 12 Abs. 1 Nr. 1 HWG die Werbung für Arzneimittel und Medizinprodukte für medizinisch indizierte Schwangerschaftsabbrüche weiterhin verboten bleiben soll. Die Gefahr eines selbst durchgeführten Schwangerschaftsabbruchs durch verschreibungsfreie Arzneimittel sowie Medizinprodukte besteht faktisch nicht. Der medikamentöse Schwangerschaftsabbruch ist grundsätzlich bis zur 9. Schwangerschaftswoche möglich. Dazu werden der Wirkstoff Mifepriston (Handelsname des Präparats: Mifegyne) und ein Prostaglandin (bekannt unter dem Handelsnamen Cytotec) eingesetzt. Mifegyne ist nicht in Apotheken erhältlich, sondern kann nur von Arztpraxen oder Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen dürfen, bezogen werden: § 47a Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG) sieht für Arzneimittel, die zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs zugelassen sind, einen Sondervertriebsweg für pharmazeutische Unternehmen vor.

Beim jetzigen Änderungsvorschlag durch die Regierungsfraktionen besteht somit die Gefahr, dass bei der öffentlichen Informationsweitergabe bezüglich medikamentöser Abbrüche § 12 Abs. 1 Nr. 1 HWG einschlägig wäre. Damit wäre der Ordnungswidrigkeitstatbestand des § 12 Abs. 1 Nr. 1 HWG i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 9 HWG erfüllt, obwohl eine weitere Sanktionierung der Informationsweitergabe gerade nicht erwünscht ist. Aufgrund der Zielvorgabe des Regierungsentwurfs ist anzunehmen, dass es sich um einen redaktionellen Fehler handelt. Um die Neuregelung übersichtlicher und eindeutig zu gestalten, würde es sich anbieten, in den § 12 HWG einen Abs. 3 einzufügen, welcher die Anwendung von § 12 Abs. 1 HWG sowie § 12 Abs. 2 HWG auf Schwangerschaftsabbrüche ausschließt.

3. Weitere relevante Missstände im Bereich des Schwangerschaftsabbruchs

Im Kontext des Schwangerschaftsabbruchs bestehen weitere relevante Missstände, die im Entwurf der Regierung entweder zu kurz kommen oder bisher keine Beachtung gefunden haben. Einige dieser Missstände werden im Antrag der Fraktion der CDU/CSU (BT-Drs. 20/1017) oder im Antrag der Fraktion DIE LINKE. (BT-Drs. 20/1736) angesprochen.

a) Autonomie der schwangeren Person muss über die Streichung des §219a StGB hinaus abgesichert werden

Ziel der Streichung von § 219a StGB ist es, so der Entwurf der Regierung, den Zugang zu sachlichen Informationen für betroffene Personen in Konfliktsituationen abzusichern. Gleichzeitig führt der Regierungsentwurf aus, dass „[d]ie Strafandrohung in § 219a StGB […] auch vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Entwicklung und der mit Hilfs- und Unterstützungsangeboten einhergehenden Stärkung der Autonomie der Frauen nicht mehr erforderlich [erscheint], um die betroffenen Frauen vor einem möglichen Druck zu schützen, die Schwangerschaft abzubrechen“. [13] Es ist mehr als fraglich, ob es jemals erforderlich war, über ein strafbewehrtes Verbot sachlicher Informationen die „Autonomie der Frau“ zu stärken. Das zentrale Schlüsselwort, das sich auch in einer zeitgemäßen Auslegung des Rechts auf sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung wiederfinden lässt, [14] ist die Autonomie der ungewollt schwangeren Person – denn Autonomie und ein freier Zugang zu relevanten Informationen gehen miteinander einher. [15]
Damit notwendigerweise verbunden ist auch der Schutz der ungewollt schwangeren Personen und des medizinischen Personals vor sog. Gehsteigbelästigungen, welcher in den Gesetzesentwurf aufgenommen werden sollte. [16] Einziges Ziel solcher Belästigungen ist es, den Zugang ungewollt Schwangerer durch Plakate, direkte Ansprache oder kollektives Beten vor Beratungseinrichtungen und ärztlichen Praxen zu erschweren. Die grundrechtlich betroffene Position auf Seiten der ungewollt schwangeren Person ist dabei in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (Allgemeines Persönlichkeitsrecht) gewährleistet. [17]
Auch Ärzt*innen sind immer wieder von Belästigungen betroffen und müssen auch nach der Streichung des §219a StGB mit Diffamierungen und Anfeindungen rechnen. Es liegt folglich nahe, dass dies weiterhin Ärzt*innen davon abhalten wird, Schwangerschaftsabbrüche anzubieten. Auch ist anzunehmen, dass Ärzt*innen, die Abbrüche durchführen, nicht öffentlich darüber informieren bzw. sich nicht in entsprechende Übersichtslisten von Beratungsstellen eintragen lassen, um die Organisation sogenannter „Mahnwachen“ vor ihren Praxen zu vermeiden. Das zeigt sich u.a. daran, dass sich viele Ärzt*innen, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen, nicht auf der Liste der Bundesärztekammer registrieren lassen. [18] Durch solche Belästigungstaktiken wird mithin die freie Ausübung des Berufs, geschützt von Art. 12 Abs. 1 GG, beeinträchtigt. [19] Dem Staat kommt jedoch eine positive Verpflichtung zum Schutz der freien Berufsausübung dieser Ärzt*innen zu. [20] Eine Möglichkeit, sowohl Ärzt*innen wie auch schwangere Personen gegen Gehsteigbelästigungen zu schützen, wäre eine Ergänzung in § 8 SchKG. [21]

b) Versorgungssituation muss abgesichert werden

Gesicherte Informationen über den Schwangerschaftsabbruch sind wesentlich, aber werden irrelevant, wenn der Schwangerschaftsabbruch faktisch nicht durchgeführt werden kann. Daher muss über die Streichung des § 219a StGB hinaus die Situation ungewollt schwangerer Personen in Deutschland verbessert werden.
Vor allem die immer schlechter werdende Versorgungslage in Deutschland ist besorgniserregend. Im Jahr 2003 gab es noch 2.050 Stellen, welche die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs angeboten haben; Ende 2021 waren es hingegen nur noch 1.092 Stellen [22] – somit liegt ein Rückgang um 46 Prozent in weniger als zwei Jahrzenten vor. Gleichzeitig ist auch die räumliche Verteilung der Stellen, welche Abbrüche anbieten, von Relevanz. In manchen Gebieten Deutschlands befinden sich keine Stellen, die Abbrüche durchführen. Ebenso weigern sich immer mehr Kliniken, Abbrüche anzubieten. [23] Mithin ist die Versorgungslage derzeit nicht umfassend gesichert, obwohl das tatsächliche Angebot von Schwangerschaftsabbrüchen laut Bundesverfassungsgericht Teil des Beratungskonzepts sein müsste. [24] Einfachgesetzlich drückt dies § 13 Abs. 2 SchKG aus, der die Länder verpflichtet, ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Abbrüchen sicherzustellen. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts diene es „zum einen dem Lebensschutz, wenn sich der Arzt nicht wegen einer weiten Anreise der schwangeren Frau gedrängt sieht, den Schwangerschaftsabbruch an dem Tage, an dem sie sich bei ihm zum ersten Mal einfindet, vorzunehmen. […] Zum anderen kann es in einer solchen Situation auch der Schwangeren eine Hilfe in der Not sein, wenn sie für einen ersten Arztbesuch die An- und Rückreise – auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln – an einem Tag bewältigen kann.“ [25] Um eine An- und Abreise innerhalb eines Tages zu gewährleisten, wird von einem Fahrtweg von 100 Kilometern ausgegangen [26] – eine Zielmarke, die von ungewollt schwangeren Personen aufgrund fehlender Abbrucheinrichtungen nicht selten überschritten werden muss.
Gleichzeitig weigern sich eine Vielzahl von Krankenhäusern, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen und berufen sich dabei auf das Weigerungsrecht gem. § 12 Abs. 1 SchKG. Nach der hier vertretenen Auffassung ist es öffentlichen Krankenhäusern als juristischen Personen versperrt sich auf das Weigerungsrecht zu berufen. [27] Zwar sind sowohl der Wortlaut des § 12 Abs. 1 SchKG [28] als auch der historische Wille des Gesetzgebers [29] diesbezüglich nicht eindeutig. Jedoch sprechen Systematik sowie der Sinn und Zweck der Regelung gegen eine Anwendung auf juristische Personen. Zum einen ist der Ausgangspunkt des § 12 Abs. 1 SchKG grundsätzlich die Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG). [30] Nach allgemeiner Auffassung ist Grundrechtsträger der Gewissensfreiheit nur „jeder Mensch“. Der Schutz der Gewissensentscheidung ist nämlich Ausfluss der Selbstbestimmung des Einzelnen über das eigene Handeln. [31] Dies setzt einen individuellen Entscheidungsprozess voraus. Daher ist der Schutz der freien Gewissensentscheidung aus Art. 4 Abs. 1 GG nicht auf juristische Personen anwendbar (Art. 19 Abs. 3 GG). [32] Zwar vertrat der Bundestag die Auffassung, dass § 12 Abs. 1 SchKG mehr umfasse als eine klassische Gewissensentscheidung. Dabei sollten vor allem Beweisfragen auf Seiten der Ärzt*innen geklärt werden: Ärzt*innen sollten nicht in die Situation gebracht werden, die eigenen Ansichten vortragen und rechtfertigen zu müssen. [33] Das ändert allerdings nichts daran, dass der einzelnen Person ein Freiraum gewährt werden soll, nicht zu gegen ihr Gewissen verstoßenden Handlungen gezwungen zu werden. Sinn und Zweck des § 12 SchKG ist nämlich, Ärzt*innen keine beruflichen Nachteile entstehen zu lassen, wenn sie aufgrund einer höchstpersönlichen Entscheidung nicht an einem Schwangerschaftsabbruch mitwirken können. [34] Außerdem kann im Kontext des gleichzeitig bestehenden Versorgungsauftrags (§ 13 Abs. 2 SchKG) das Spannungsverhältnis nicht einseitig zulasten der schwangeren Person aufgelöst werden. Der Versorgungsauftrag aus §13 Abs. 2 SchKG droht ausgehöhlt zu werden, wenn Kliniken ein Weigerungsrecht zugesprochen wird. [35]
Die bestehenden und sich anhand des historischen Trends wahrscheinlich verstärkenden Versorgungslücken treffen Menschen in prekären Situationen deutlich stärker. Die Finanzierung der Anfahrt, evtl. notwendiger Übernachtungen und die Organisation von Kindesbetreuung stellen für Geringverdienende oder Alleinerziehende eine hohe Belastung dar, die zu einem unüberwindbaren Hindernis werden kann. Sozioökonomische Aspekte können mithin die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs erschweren. Umso problematischer ist die Tatsache, dass der Abbruch in Deutschland prinzipiell nicht von der Krankenkasse übernommen wird und je nach Methode zwischen 350 – 600 Euro kostet. [36]
Zwar besteht nach § 19 Abs. 1 SchKG ein Anspruch auf Leistungen, wenn die Aufbringung der Mittel für den Schwangerschaftsabbruch nicht zumutbar ist. Dennoch stellt die dafür erforderliche Antragsstellung trotz Hilfestellung in Praxen eine immense zeitliche und bürokratische Hürde dar. Der Antrag für die Kostenübernahme über die gesetzlichen Krankenkassen muss (teilweise persönlich) vor dem Eingriff gestellt werden. Die Bearbeitung bis zur Bewilligung bedeutet weiteren Zeitverluste für die Betroffene.
Eine Möglichkeit, der Verschlechterung der Versorgungslage entgegenzuwirken, wäre die Eingliederung des Schwangerschaftsabbruchs in die medizinische Ausbildung. Derzeit wird der Schwangerschaftsabbruch an vielen Universitäten in der Ausbildung von Ärzt*innen kaum thematisiert – obwohl er mit circa 100.000 Abbrüchen einer der häufigsten gynäkologischen Behandlungen darstellt. Daher fordert Doctors for Choice, dass medizinische Aspekte (inkl. Ablauf, Nebenwirkungen und Kontraindikationen) des medikamentösen und operativen Schwangerschaftsabbruches in der Theorie verpflichtend im Medizinstudium gelehrt werden müssen. Der Abbruch ist ebenso kein Pflichtbestandteil der gynäkologischen Weiterbildung. Eine fehlende fachliche Auseinandersetzung führt u.a. dazu, dass in Deutschland, trotz entgegenstehender Empfehlung der WHO, circa 11,4 Prozent der Schwangerschaftsabbrüche über die Curretage (Ausschabung) durchgeführt werden. [37] Es müssen daher zusätzlich Fortbildungsmöglichkeiten geschaffen werden, die zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen befähigen und aktuelle Standards für die Betroffenen zugänglich macht.

c) Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs und Eingliederung im Kontext von reproduktiven Rechten

Diese knappe Aufzählung macht deutlich, dass sich die Situation von Ärzt*innen und ungewollt schwangeren Personen nicht automatisch durch eine Aufhebung des § 219a StGB verbessern wird. Solange die Rechtsordnung an einer grundsätzlichen Kriminalisierung des selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruchs festhält und damit die Unrechtswertung betont, wird die Tabuisierung des Abbruchs in der Gesellschaft und in der Medizin aufrechterhalten. [38] Dies schreckt Ärzt*innen und medizinisches Personal ab, sich mit diesem Thema zu befassen, und belastet ungewollt Schwangere.
Der Schwangerschaftsabbruch sollte stattdessen im Kontext von sexueller und reproduktiver Gesundheit als Bestandteil der Menschenrechte eingeordnet werden. Dies ist von internationalen Menschenrechtsorganen anerkannt [39] und wurde zuletzt vom Ausschuss für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter im Bericht von 2021 über die Lage im Hinblick auf die sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte in der EU im Zusammenhang mit der Gesundheit von Frauen (2020/2215(INI)) (sogenannter Matić Report) dargelegt.
Vor dem Hintergrund eines menschenrechtsbasierten Zugangs zu reproduktiven Rechten ist die Beratungsverpflichtung sowie die dreitägige Wartefrist gem. § 218a Abs. 1 StGB klar abzulehnen. [40] Der UN-Frauenrechtsausschuss, sowie der Ausschuss des internationalen Sozialpakts stellten wiederholt klar, dass medizinisch unnötige, obligatorische Erfordernisse nicht mit den menschenrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands zu vereinbaren seien. [41] Zudem erscheint zweifelhaft, wie effektiv eine verpflichtende Beratung tatsächlich sein kann: Nach einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung geben 69,1 Prozent aller Betroffenen an, dass die Beratung keinerlei Einfluss auf die Entscheidung hatte. [42] Gleichzeitig bleibt unbestritten, dass ein freiwilliges Beratungsangebot bestehen bleiben und verfügbar sein muss. [43] Der Ansatz der CDU/CSU Fraktion, Verhütungsmittel kostenlos zur Verfügung zu stellen [44], ist ein erster Schritt, um Schwangerschaftsabbrüche in den Kontext von reproduktiven Rechten einzuordnen. Eine Alterseinschränkung ist dabei allerdings abzulehnen.
Statt auf Kriminalisierung zu setzen, muss der Schwangerschaftsabbruch vielmehr als Gesundheitsdienstleistung reguliert werden. [45] Dabei muss der verfassungsrechtliche Rahmen im Blick behalten werden, gleichzeitig darf eine Rechtsprechungslinie, die mittlerweile beinahe 30 Jahre zurückliegt, nicht dazu führen, dass gesellschaftliche Debatten zum Erliegen gebracht werden. Stereotypische Vorstellungen von Mutterschaft und Rollenverteilungen haben sich in den letzten Jahrzehnten drastisch gewandelt. Gleichzeitig spricht die Studienlage dafür, dass gerade kein Zusammenhang zwischen einem restriktivem Schwangerschaftsabbruchsrecht und einer Verringerung der Abbruchsquote vorliegt. [46] Die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen führt hingegen zu einer Verschlechterung der medizinischen Versorgung und zur anhaltenden Stigmatisierung. [47] Die Regulierung von Schwangerschaftsabbrüchen muss daher evidenzbasiert und grundrechtsschonend, auch in Hinblick auf die Rechtsposition der schwangere Person, erfolgen.

Die gesamte Stellungnahme steht als PDF-Datei zur Verfügung.


Fußnoten

  • 1 Vgl. dazu ausführlich Deutscher Juristinnenbund, Stellungnahme 22-05 vom 31. März 2022 (besucht am 15.05.2022); Gesellschaft für Freiheitsrechte, Verfassungsmäßigkeit von §219a StGB vom 12. April 2022 (besucht am 15.05.2022); Brosius-Gersdorf, Der Fall Kristina Hänel: Zur Verfassungswidrigkeit des § 219a Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 StGB (Werbung für den Abbruch einer Schwangerschaft), August 2020 (besucht am 15.05.2022).
  • 2 Siehe dazu Chiofalo, Ein (begrenzter) Grund zur Freude? Der Referentenentwurf zur Streichung des § 219a StGB, djbZ 1/2022, S. 38 f.
  • 3 §§ 218, 219 RStGB; vgl. Reichsgesetzblatt vom 29. Mai 1933, Teil I, S. 295 (296).
  • 4 Vgl. BVerfGE 88, 203 (4. LS.).
  • 5 So jedoch Antrag der Fraktion der CDU/CSU „Interessen der Frauen stärken, Schutz des ungeborenen Lebens beibehalten“, BT-Drs. 20/1017, S. 5.
  • 6 Vgl. BVerfGE 88, 203 (267).
  • 7 Vgl. Antrag der Fraktion der CDU/CSU „Interessen der Frauen stärken, Schutz des ungeborenen Lebens beibehalten“, BT-Drs. 20/1017, S. 2.
  • 8 AG Tiergarten, Urt. v. 14.06.2019, Az. 253 Ds 143/18, bestätigt durch KG Berlin, Urt. v. 19.11.2019, Az. 3 – 80+81/19.
  • 9 Vgl. Antrag der Fraktion der CDU/CSU „Interessen der Frauen stärken, Schutz des ungeborenen Lebens beibehalten“, BT-Drs. 20/1017, S. 7.
  • 10 Strafrechtlich verfolg und/oder verurteilt wurden z.B.: Nora Szász (Beirätin im Vorstand von Doctors for Choice), Eva Waldschütz (Mitglied bei Doctors for Choice), Bettina Gaber, Detlef Merchel, Natascha Nicklaus, Kristina Hänel.
  • 11 Fritzsche, in: Spickhoff, HWG, 3. Aufl. 2018, § 12 Rn. 1.
  • 12 Fritzsche, in: Spickhoff, HWG, 3. Aufl. 2018, § 12 Rn. 1.
  • 13 Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch (§ 219a StGB), zur Änderung des Heilmittelwerbegesetzes und zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch, BR-Drs. 161/22, BT-Drs. 20/1635, S. 9.
  • 14 Siehe zur Verbindung zwischen Autonomie und Recht auf sexuelle Selbstbestimmung beispielsweise Valentiner, Das Grundrecht auf sexuelle Selbstbestimmung, 2021. Reproduktive Rechte und das Recht auf sexuelle und reproduktive Gesundheit werden oft als Synonym verwendet. Auf internationaler Ebene wurden im Jahr 1994 auf der Weltbevölkerungskonferenz das erste Mal reproduktive Rechte als Menschenrechte definiert:„These rights rest on the recognition of the basic right of all couples and individuals to decide freely and responsibly the number, spacing and timing of their children and to have the information and means to do so, and the right to attain the highest standard of sexual and reproductive health. It also includes their right to make decisions concerning reproduction free of discrimination, coercion and violence, as expressed in human rights documents.“- International Conference on Population and Development (ICPD), Program of Action, UN Doc. A/CONF.171/13 1994, Rn. 7.3.
  • 15 Vgl. hierzu Wapler, Reproduktive Autonomie: rechtliche und rechtsethische Überlegungen, in: Baer Susanne/Sacksofsky Ute (Hrsg.), Autonomie im Recht – Geschlechtertheoretisch vermessen, S. 185 ff., S. 196.
  • 16 Vgl. Antrag der Fraktion DIE LINKE., § 219a StGB aufheben – Selbstbestimmung, Entscheidungsfreiheit und ausreichende Versorgung sicherstellen, BT-Drs. 20/1736, S. 2; Antrag der Fraktion der CDU/CSU „Interessen der Frauen stärken, Schutz des ungeborenen Lebens beibehalten“, BT-Drs. 20/1017, S. 7.
  • 17 Siehe dazu: Fontana, Heinrich Böll Stiftung, Möglichkeiten gesetzlicher Neuregelungen im Konfliktfeld „Gehsteigbelästigungen“, Juni 2021 (besucht am: 15.05.2022), S. 7 ff.
  • 18 Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch (§ 219a StGB), zur Änderung des Heilmittelwerbegesetzes und zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch, BR-Drs. 161/22, BT-Drs. 20/1635, S. 9.
  • 19 Siehe dazu: Fontana, Heinrich Böll Stiftung, Möglichkeiten gesetzlicher Neuregelungen im Konfliktfeld „Gehsteigbelästigungen“, Juni 2021 (besucht am: 15.05.2022), S. 10 ff.
  • 20 Siehe dazu ausführlich: Ruffert, in BeckOK GG, 50. Ed., Art. 12 Rn. 19 f m.w.N.
  • 21 Siehe dazu den konkreten Vorschlag von Fontana, Heinrich Böll Stiftung, Möglichkeiten gesetzlicher Neuregelungen im Konfliktfeld „Gehsteigbelästigungen“, Juni 2021 (besucht am: 15.05.2022), S. 44: § 8 S. 2 SchKG – Für die Schwangere muss der ungehinderte Zugang zu diesen Stellen sowie zu Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, gewährleistet sein.
  • 22 Statistisches Bundesamt, Meldestellen zur Schwangerschaftsabbruchstatistik in Deutschland (besucht am 16.05.2022).
  • 23 Häring/Neuwert, Bayrischer Rundfunk, Abtreibung per Telemedizin – weil in Bayern Ärzte fehlen? vom 26.01.2022 (besucht am 15.05.2022); Bruhn, taz, Weite Wege vom 20.2.19 (besucht am 15.05.2202).
  • 24 BVerfGE 88, 203, (329 f.).
  • 25 BVerfGE 88, 203 (330).
  • 26 Wissenschaftliche Dienste, WD 9 – 3000 – 087/19, S. 9 f. m.w.N.
  • 27 So auch Mangold, Anlage 2 der Anhörung des Petitionsausschusses des Landtages von Schleswig-Holstein vom 27.10.2020 (besucht am 15.05.22).
  • 28 „Niemand“ kann sich zum auf eine lebende Person beziehen, aber auch umfassend verstanden werden und damit auch juristische Personen. Siehe dazu: Wissenschaftliche Dienste, WD 9 – 3000 – 087/19, S. 7 m.w.N.
  • 29 Aus der BT-Drs. 7/1981, S. 19: „Sie kann nicht von irgend jemandem verbindlich für andere, sondern nur von jedem für sich selbst entschieden werden“; dagegen missverständlich zu § 218g StGB i.d.F. des 5. Strafrechtsreformgesetzes, BT-Drs. 7/554, S. 8: „Diese Vorschrift ist Ausfluß der Gewissensfreiheit. Sie räumt sowohl Ärzten, Schwestern und anderem Hilfspersonal als auch den verantwortlichen Leitern der Krankenhäusern das Recht ein, die Mitwirkung an einem legalen Schwangerschaftsabbruch zu versagen oder die Durchführung des Eingriffs in dem betreffenden Krankenhaus zu untersagen.“ Das Bundesverfassungsgericht spricht in seinem Urteil von 1993 ausschließlich von Ärzt*innen, siehe: BVerfGE 88, 203 (289 ff.).
  • 30  Vgl. dazu die Besprechung der Frage in der 6. Wahlperiode von 1972, BT-Drs. VI/3434, S. 37; so auch zu § 218g StGB i.d.F. des 5. Strafrechtsreformgesetzes, BT-Drs. 7/554, S. 8.
  • 31  Germann, in: BeckOK GG, 50. Ed. 15.2.2022, Art. 4 Rn. 88.
  • 32  Germann, in: BeckOK GG, 50. Ed. 15.2.2022, Art. 4. Rn. 93.
  • 33  Siehe BT 7/1981, S. 19: „Die Freiheit eines jeden, in dieser Frage nach seinem Gewissen zu entscheiden, ist bereits durch Artikel 4 des Grundgesetzes anerkannt. Die Freiheit, eine Mitwirkung beim Schwangerschaftsabbruch zu verweigern, muß aber für jedermann auch unabhängig von seinem Motiv gegeben sein. […] Es erscheint sachgerecht, dafür Sorge zu tragen, daß den in Frage kommenden Personen insoweit auch jede Beweislast erspart bleibt. Die Vorschrift ist deshalb so ausgestaltet, daß für die Weigerung, an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken, in keinem Fall auch nur ein Motiv angegeben zu werden braucht.“
  • 34  BVerfGE 88, 203 (294).
  • 35  Kritisch auch Wissenschaftliche Dienste, WD 9 – 3000 – 087/19, S. 13. Als Vorbild des Weigerungsrechts wird Sec. 4 der Abortion Acts von 1967 aus dem Vereinigen Königreicht in der BT-Drs. VI/3434 angeführt (S. 37). Die dort enthaltende „Conscientious objection to participation in treatment“ wird nur Einzelpersonen zugesprochen. Auch der Bericht über die Lage im Hinblick auf die sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte in der EU im Zusammenhang mit der Gesundheit von Frauen (2020/2215(INI)), Rn. 36 f. sieht die Erweiterung auf öffentliche Einrichtungen kritisch.
  • 36  Familienplanung.de, Die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs (besucht am: 15.05.2022).
  • 37 Mittelwert aus 2021: 1. Quartal 11,9%; 2. Quartal 11,4%; 3. Quartal 11,5% und 4. Quartal 2021 10,9%, siehe dazu: Statistisches Bundesamt, Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland nach verschiedenen Merkmalen, Anteile und Veränderung zum Vorjahr (besucht am 16.05.2022).
  • 38 Für eine grundsätzliche Entkriminalisierung argumentieren: WHO, Abortion Care Guideline 2022, S. 24 ff.; Bericht über die Lage im Hinblick auf die sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte in der EU im Zusammenhang mit der Gesundheit von Frauen (2020/2215(INI)), Rn. 34.
  • 39 Siehe zum Beispiel: UN-Frauenrechtsausschuss, General recommendation Nr. 35 (2017), Rn. 18: “Violations of women’s sexual and reproductive health and rights, […] criminalization of abortion, denial or delay of safe abortion and/or post-abortion care, forced continuation of pregnancy, and abuse and mistreatment of women and girls seeking sexual and reproductive health information, goods and services, are forms of gender-based violence that, depending on the circumstances, may amount to torture or cruel, inhuman or degrading treatment.“ Siehe außerdem im Bericht über die Lage im Hinblick auf die sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte in der EU im Zusammenhang mit der Gesundheit von Frauen (2020/2215(INI)), Rn. 34: „fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, Abtreibungen zu entkriminalisieren und Hindernisse für legale Abtreibungen zu beseitigen und gegen sie vorzugehen, und erinnert die Mitgliedstaaten daran, dass sie dafür verantwortlich sind, dass Frauen Zugang zu den ihnen gesetzlich zustehenden Rechten haben; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die existierenden Methoden der medizinischen Versorgung im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der damit verbundenen Rechte zu verbessern und neue Methoden auszuloten […].“
  • 40 Vgl. Antrag der Fraktion DIE LINKE., § 219a StGB aufheben – Selbstbestimmung, Entscheidungsfreiheit und ausreichende Versorgung sicherstellen, BT-Drs. 20/1736, S. 2.
  • 41 Committee on Economic, Social and Cultural Rights, General Comment No. 22 on the Right to sexual and reproductive health (article 12 of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights), E/C.12/GC/22, 2. Mai 2016, § 41; Committee on the Elimination of Discrimination against Women, Concluding observations on the combined seventh and eighth periodic reports of Germany, CEDAW/C/DEU/CO/7-8, 9. März 2017, § 38 (b).
  • 42 Helfferich /Klindworth / Heine /Wlosnewski, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, frauen leben 3. Familienplanung im Lebenslauf von Frauen, S. 162 (besucht am: 15.05.2022).
  • 43 Vgl. Antrag der Fraktion DIE LINKE., § 219a StGB aufheben – Selbstbestimmung, Entscheidungsfreiheit und ausreichende Versorgung sicherstellen, BT-Drs. 20/1736, S. 2.
  • 44 Vgl. Antrag der Fraktion der CDU/CSU „Interessen der Frauen stärken, Schutz des ungeborenen Lebens beibehalten“, BT-Drs. 20/1017, S. 6 f.
  • 45 So bspw. auch: United Nations Human Rights Office of the High Commissioner, Abortion is essential healthcare and women’s health must be prioritized over politics (besucht am 16.05.2022); vgl. Antrag der Fraktion DIE LINKE., § 219a StGB aufheben – Selbstbestimmung, Entscheidungsfreiheit und ausreichende Versorgung sicherstellen, BT-Drs. 20/1736, S. 2 und 3.
  • 46 Vgl. Sedgh et al., Induced abortion: incidence and trands worldwide from 1995 – 2008, The Lancet Vol. 379 2012, S. 625 – 632.
  • 47 Vgl. Turan/ Budhwani, Restrictive Abortion Laws Exacerbate Stigma, Resulting in Harm to Patients and Providers, American Journal of Public Health 111 2020, S. 37 – 39.

Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung zum Werbeverbot für den Schwangerschaftsabbruch (Valentina Chiofalo)
Nach oben scrollen