Redebeitrag „151 Jahre Paragraf 218 sind 151 Jahre zu viel!“ von Christiane von Rauch zur Demonstration am feministischen Kampftag 2023 in Berlin

Auf der Demonstration zum feministischen Kampftag des Kundgebung des BfsS und ÜPFI zum Frauen*kampftag „Frieden-Freiheit-Selbstbestimmung und Faire Arbeit“

151 Jahre Paragraf 218 sind 151 Jahre zu viel! Schwangerschaftsabbruch raus aus dem Strafgesetzbuch – rein in die medizinische Versorgung und Ausbildung! Schwangerschaftsabbruch ist Menschenrecht!

Wir stellen fest: Die Abschaffung von §219a war bitter nötig. An der Lage der ungewollt Schwangeren aber hat sie nichts geändert. Sie und ihre Ärzt*innen werden kriminalisiert. Beratungspflicht und dreitägige Wartezeit konterkarieren eine selbstbestimmte Entscheidung und verzögern eine frühzeitige Behandlung. Stigmatisierung und Tabuisierung sind täglich erlebte Realität.

Die Versorgungssituation bundesweit ist mangelhaft – mit regionalen Unterschieden. Die Aus- und Weiterbildung von Ärzt*innen zum Schwangerschaftsabbruch ist unzureichend. Eine Wahlmöglichkeit für die Methode, insbesondere für den medikamentösen Abbruch, ist vielerorts nicht gegeben.

Ungewollt Schwangere werden durchaus nicht überall nach dem höchsten medizinischen Standard behandelt. Die konservativ geprägten Berufsverbände der Frauenärzte setzen die Richtlinien der WHO für einen sicheren Abbruch nicht um und stehen den Verpflichtungen der UN-Frauenrechtskonvention mehr als skeptisch gegenüber.

Fundamentalistische Abtreibungsgegner belästigen Ratsuchende vor Beratungsstellen und bedrohen Ärzt*innen und deren Mitarbeiter*innen und wir warten weiter auf eine bundesweit gültige gesetzliche Sanktionierung von Mahnwachen und Gehsteigbelästigung!

Wir fordern die Ampelkoalition auf, die einmalige Chance zu nutzen, den Unrechtsparagrafen 218 abzuschaffen und damit dem Willen der Bevölkerungsmehrheit zu entsprechen. Wir fordern eine feministische Politik, und das heißt: Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, Abschaffung von Pflichtberatung und Wartezeit, Kostenübernahme von Schwangerschaftsabbruch, Verhütungsmitteln und Kinderwunschbehandlung für alle Menschen, uneingeschränkter Zugang zum Schwangerschaftsabbruch für alle ungewollt Schwangeren, für marginalisierte Gruppen, Transpersonen und alle Geflüchtete, unabhängig von ihrer Herkunft. Das heißt, die Vereinbarungen aus der UN-Frauenrechtskonvention CEDAW endlich rechtsverbindlich umsetzen!

Wohlklingende Bekenntnisse, Frauen- und Menschenrechte in der Außenpolitik beachten zu wollen, sind keinen Pfifferling wert, wenn diese im Inland nicht umgesetzt sind!

Mit der Einsetzung der Kommission, die erst zwei Jahre nach Regierungsantritt berufen wird und in der nicht einmal Ärzt*innen, Expert*innen, die seit Jahren Abbrüche machen vertreten sind, macht sich die Regierung zumindest verdächtig, das Problem aussitzen zu wollen.

Das lassen wir nicht zu! Lasst uns auf allen Ebenen Druck machen und unsere sexuellen und reproduktiven Menschenrechte durchsetzen. Lasst uns weiter für unsere Freiheit und gegen patriarchale Strukturen kämpfen! Und lassen wir nicht zu, dass fundamentalistische Frauen- und Menschenfeinde den rollback – zurück zur „Natürlichen Ordnung von Ehe und Familie“ – weiter treiben.

Wir Doctors for Choice sagen: Schwangerschaftsabbruch raus aus dem Strafgesetzbuch – rein in die medizinische Versorgung und Ausbildung! Wir setzen uns mit all unseren Kräften, unserer fachlichen Expertise und mit unseren Herzen dafür ein!

Vielen Dank!

Christiane von Rauch, 8.3.23 , auf der Kundgebung des BfsS und ÜPFI zum Frauen*kampftag „Frieden-Freiheit-Selbstbestimmung und Faire Arbeit“ in Berlin, Bebelplatz, nach der Demo der GEW und ver.di „Feministisch.Solidarisch.Gewerkschaftlich“

Redebeitrag „151 Jahre Paragraf 218 sind 151 Jahre zu viel!“ von Christiane von Rauch zur Demonstration am feministischen Kampftag 2023 in Berlin
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